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100 Jahre: Der Künstler Herbert Zangs wurde am 27. März geboren

Veröffentlicht am: 26.03.2024

Der junge Zangs 1958. Foto: Stadtarchiv Krefeld
Der junge Zangs 1958. Foto: Stadtarchiv Krefeld

„Wo ich bin, ist vorne", mit diesem Selbstverständnis trat der Krefelder Künstler Herbert Zangs (1924-2003) gerne in der Kunstszene auf und beschrieb sich öfter selbst als „geborenen Künstler". Wo er auftauchte, sorgte er für kontroverse Sichtweisen auf sich. Die Krefelder bezeichneten ihn - im wohl nettesten Fall - als stadtbekannten Künstlern und künstlerisches Original ersten Ranges, aber auch als Bürgerschreck, oft chaotischen Maler, Scharlatan, Pionier, Provokateur und als ein „enfant terrible längst vergangener Zeiten". Er galt als grenzenlos unbekümmert und neugierig, von überschäumender Vitalität, und er experimentierte in alle Richtungen. Bekannt geworden ist er vor allem durch seine seit 1952 entstehenden „Verweißungen". Neben Heinrich Campendonk, Helmuth Macke, Heinrich Nauen, Joseph Beuys, Adolf Luther gehört der Maler und Objektkünstler Herbert Zangs zu den bedeutendsten Künstlern Krefelds. Der Geburtstag des Krefelders jährt sich am Mittwoch, 27. März, zum 100. Mal.

Zangs und die Blechtrommel

Im Jahr 1945 begann Zangs sein Studium an der Kunstakademie Düsseldorf. In dieser Zeit arbeitete er in einem Atelier im Bunker an der Viktoriastraße in Krefeld. An der Kunstakademie lernte er unter anderem beim Künstler Otto Pankok. Dort freundete sich Zangs auch mit seinem Mitstudenten - und späteren Literatur-Nobelpreisträger - Günter Grass an, der ihn wegen seiner Kriegserlebnisse als literarische Figur „Herbert Lankes" in seinem Roman „Die Blechtrommel" verewigte. Zangs und Grass arbeiteten als Nachtportiers im Düsseldorfer Altstadtlokal „Csikós". Zangs erste Bilder der gegenständlichen Malerei mit niederrheinischen Motiven wurden noch stark von seiner Zeit an der Kunstakademie Düsseldorf Ende der 1940er-Jahre geprägt. Mit diesen Werken stellte sich rasch künstlerischer Erfolg ein. Das Kaiser-Wilhelm-Museum präsentierte mehrere Studio-Ausstellungen wie im Winter 1950 (Gemälde, Aquarelle), im Frühjahr 1952 (Tunis 1951) und im Frühjahr 1956 (Gemälde) - mit einigen Jahren folgt 1970 (Ringbuchfolge) eine weitere Schau.

Herbert Zangs im Krefelder Zoo - bei der Gestaltung einer Bilderreihe für das Heim, anläßlich des 150-jährigen Bestehens des Krefelder Frauenvereins. Foto: Stadtarchiv Krefeld
Herbert Zangs im Krefelder Zoo - bei der Gestaltung einer Bilderreihe für das Heim, anläßlich des 150-jährigen Bestehens des Krefelder Frauenvereins. Foto: Stadtarchiv Krefeld

An der Akademie lernte Herbert Zangs auch den in Krefeld geborenen Joseph Beuys kennen. Neben der Kunst verbanden die beiden Männer ihre Kriegserlebnisse. Sie kämpften als Luftwaffe-Soldaten im Zweiten Weltkrieg, und eine Lazarettzeit beziehungsweise Verwundung soll - vergleichbar wie bei Beuys - die spätere Arbeit von Zangs' geprägt haben: Zu seinen „Verweißungen" soll ihn ein Krankenhausaufenthalt in Norwegen geführt haben, als er eines Morgens aus dem Fenster die leicht verschneite Landschaft erblickte. Eine weitere Annahme ist, dass ein von ihm weiß bemaltes Foto seiner Eltern der Anlass war. Die Begründungen für den Paradigmenwechsel und den Wahrheitsgehalt sind wohl kaum noch nachweisbar. Der Wandel von der gegenständlichen Malerei zu den „Verweißungen" erfolgte jedoch eindeutig in den 1950er-Jahren. Zangs arbeitete nicht mehr im Atelier, sondern in Werkstätten. Seine „Bilder" wurden abstrakt, und er nutzte neue Techniken. Vor allem verwendete Zangs zunächst nur noch eine Farbe: eben Weiß.

Weiße Handtaschen und Sandalen

Im eigentliche Sinne schaffte Zangs mit den „Verweißungen" keine Bilder mehr, sondern Reliefs, die ihre Wirkung durch ein Licht- und Schattenspiel erzielen. Zunächst goss er Farbemasse auf Holz oder andere Untergründe. Den nächsten Schritt unternahm Zangs, indem er Farbe auf unterschiedliche Weise strukturiert. Anstatt der klassischen Leinwand nutzte er vorgefundene, beschädigte Pappen, Sperrhölzer und andere Materialien, die er in seine Bildaussagen integrierte. Dann folgten „verweißte" Objekte, unter anderem Handtaschen und Sandalen. Seine erste Ausstellung mit solchen neuen Werken 1956 in der Zimmergalerie in Frankfurt am Main blieb ohne Resonanz. In jene Jahre fiel noch der Auftrag für das gerade an einem Gebäude hinter dem Hauptbahnhof wieder montierte Blechrelief „Straßenvernetzungen". Es symbolisierte die Einfädelungen verschiedener Fahrzeuge auf den Autobahnen. Das Kunstwerk wurde zunächst 1957 an dem ehemaligen Landesstraßenbauamt, später Rheinisches Autobahnamt, an der Grenzstraße 140/Ecke Crousstraße angebracht. Ende der 195oer-Jahre entdeckte Zangs auch den Scheibenwischer als Pinselersatz und schuf damit Bilderserien.

Bereits während seiner Studienzeit begann Zangs zu reisen, zunächst Ende der 1940er-Jahre in Deutschland, Anfang der 1950er-Jahre quer durch Europa. Paris besuchte er erstmals 1951 - dort lebte er in der Mitte und Ende dieses Jahrzehnts bei einem Krefelder Maler oder unter den Seine-Brücken. Seine Reisen führten ihn nach Afrika, Amerika, Asien und Australien. Ab 1962 wurden Frankreich und Paris sein Hauptwohnsitz. Er sprach die Landessprache fließend, der niederrheinische Dialekt blieb jedoch seine „Muttersprache". In jenen Jahren kehrte Zangs immer auch wieder nach Krefeld zurück, in sein Elternhaus an der Marktstraße und in das Kaiser-Wilhelm-Museum. Aus seiner französischen Wahlheimat wurde er 1978 wegen einer Schlägerei mit zwei Polizisten ausgewiesen.

Anerkennung und Auszeichnungen

Zangs' nationaler und internationaler Erfolg stellte sich erst in den 1970er-Jahren ein. Eine uneingeschränkte Akzeptanz dieser Werke wurde und wird dadurch erschwert, dass Zangs Arbeiten in die 1950er-Jahre rückdatierte. Er begründete dieses Vorgehen mit dem Argument, dass der Ursprung dieser Ideen in den frühen 1950er-Jahren lag und sukzessive weitergeführt und weiterentwickelt wurde. Mit der Anerkennung kamen auch die Auszeichnungen wie der Krefelder Kunstpreis (1952), „Premio Lissone" (1957) in Lissabon, der Europapreis für Malerei (1962, Prix d'Europe) in Ostende und 1968 „Tavolozza d'Oro" (Goldene Palette) in Taranto. Das Herbert-Zangs-Archiv in Paris dokumentiert und bearbeitet sein Werk. Nach diesen erfolgreichen Jahren sollte es bis in die 1990er-Jahre dauern, bis die Öffentlichkeit Zangs als Künstler wieder durch Ausstellungen wahrnahm, unter anderem 1997 im Centre Georges Pompidou in Paris (Gruppenausstellung). Die Stadt Krefeld ehrte ihn 1994 mit deren Stadtehrenplakette. Seine Heimatstadt erinnert heute auf eine besondere Weise: Seit Mitte der 1990er-Jahre hängen Arbeiten von ihm neben einigen Werken von Adolf Luther im Foyer des Historischen Ratssaals im Krefelder Rathaus, so dass jeder Gast dort an seinen Arbeiten vorbeigeht.

Verleihung der Stadtehrenplakette 1994 an den Künstler Herbert Zangs. Foto: Stadtarchiv Krefeld
Verleihung der Stadtehrenplakette 1994 an den Künstler Herbert Zangs. Foto: Stadtarchiv Krefeld

Auch als Zangs schon im Rollstuhl saß, hat er sich nicht von seiner Kunst abhalten lassen. Für seine „Rollstuhlbilder" präparierte er die Räder des Rollstuhls mit Farbe und zog Spuren über ausgelegtes Papier. Herbert Zangs starb am 26. März 2003 in einem Krefelder Altenheim am Wilmendyk. Ein ausführlicher Bericht über ihn, seine Freundschaft seit den 1960er-Jahren mit dem Krefelder Künstler Adolf Luther und sein Werk steht im Krefelder Jahrbuch „Die Heimat", Nummer 75 (2004). Informationen zum Nachlass von Herbert Zangs stehen unter www.maulberger.de. Werke von Zangs befinden sich in den Beständen von nationalen und internationalen Museen. Die Kunstmuseen Krefeld haben diverse Werke von Zangs in ihrer Sammlung. Zurzeit widmen sie ihm einen Raum in der Ausstellung „Sammlung in Bewegung".