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Krefelds Kernidentität

Krefeld ist eine Manufakturstadt - aber was bedeutet das? Aus der Analyse der Zeitschichten von Krefeld wird besonders deutlich, dass die Innenstadtstruktur inklusive der vier Wälle in der vorindustriellen Zeit gewachsen ist, das heißt vor 1870. Das entstandene Straßenraster und die Gebäude folgen daher auch heute noch bestimmten Prinzipien, die den damaligen Ansprüchen an die Stadt entsprachen.

„Im 18. und 19. Jahrhundert waren bis zu 50 Prozent der arbeitenden Bevölkerung Krefelds in der Seidenindustrie beschäftigt. Verleger, Weber und Handwerker lebten und arbeiteten innerhalb einer kompakten, einheitlichen Stadtstruktur, ohne dass an den Fassaden genau abzulesen gewesen wäre, wer dort wohnte und was dort produziert wurde. Im Stadtbild gab es im Gegensatz zu vielen früh industrialisierten Städten kaum Fabrikschornsteine. Krefeld kannte auch keine Mietskasernen. Die Stadt war kompakt und alles, was zum Leben notwendig war, dicht beieinander und fußläufig zu erreichen. Die Straßen waren kleinteilig bebaut mit vielen individuellen Einzelhäusern, deren Fassaden sich zu einer zusammenhängenden Kulisse fügten. Durch die vielen Hauseingänge, Werkstätten und Geschäfte an der Straße entstand Leben im öffentlichen Raum, nachbarschaftlicher Kontakt und ein feines Netz sozialer Beziehungen."
(Kulturhistorische städtebauliche Analyse, S. 266)

Hält man die heutigen Vorstellungen von Stadtentwicklung mit dem vorindustriellen Stadtgrundriss und der vorindustriellen europäischen Rasterstadt - die Krefeld ist - übereinander, gewinnt man eine erstaunliche Erkenntnis: Viele Ansprüche und Ideale der aktuellen Stadtentwicklung stimmen mit den Nutzungen und dem Raster der vorindustriellen Manufakturstadt Krefeld überein!

 

Ansprüche + Nutzungen der vorindustriellen Stadt = Ansprüche + Nutzungen der postindustriellen Stadt.

 

Funktional gesehen ist die Manufakturstadt ein Gefüge mit einer sehr feinkörnigen Nutzungsmischung. Wohnen und Arbeiten fanden häufig unter einem Dach statt. In der vorindustriellen Stadt gab es noch keine elektrischen oder mit Treibstoff betriebenen Fortbewegungsmittel. Meistens ging man zu Fuß oder fuhr Kutsche. Dementsprechend wurde das ursprüngliche Straßenraster dimensioniert. Heute, in Zeiten des Homeoffice, ist das Thema Wohnen und Arbeiten unter einem Dach aktueller denn je. Auch der Einzelhandel tendiert mehr und mehr zu kleinen Manufakturen mit ausgewählten und individuellen Angeboten. Daneben werden auch Themen wie Erlebnis und Aufenthaltsqualität zunehmend wichtiger. Die monofunktionale City, wie sie in den 70er Jahren entstanden ist, mit alleinigem Fokus auf Handel und Dienstleistung, verliert an Bedeutung.

 

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Bild 1: Nutzungsmischung vorindustriell, Bild 2: Funktionstrennung/City-Bildung, Bild 3: Nutzungsmischung postindustriell

 

Kernaussagen der Analyse

Krefeld ist eine Manufakturstadt vorindustriellen Ursprungs, in der viele Grundlagen für ein urbanes Lebensumfeld bereits angelegt wurden. Mit dieser Erkenntnis wurden wichtige Eckpunkte der Innenstadtentwicklung gesetzt. So ist das übergeordnete Ziel der Analyse die Schaffung eines urbanen Lebensumfelds, dass den Ansprüchen einer postindustriellen Gesellschaft gerecht wird.

Die weiteren Kernaussagen, die mit politischem Beschluss vom 29. März 2022 beschlossen und somit Grundlage für die weitere Innenstadtentwicklung wurden, lauten:

  • Krefeld steht wieder zu seinem historischen Stadtgrundriss, einer europäischen Rasterstadt mit geschlossenem Stadtbild. Wo der Stadtgrundriss beschädigt ist, soll er repariert werden. Kulturhistorisch wertvolle Bausubstanz soll geschützt werden.
  • Die Förderung einer neuen feinkörnigen Nutzungsmischung verleiht der Innenstadt neue Lebendigkeit (Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Kultur).
  • Die Innenstadt soll intensiver als Wohnstandort genutzt und gestärkt werden, hierfür ist über die Leerstände hinaus neuer Wohnraum zu schaffen.
  • Die Bewohner*innen und Besucher*innen der Innenstadt haben kurze Wege und gute, komfortable Möglichkeiten, sich zu Fuß oder mit dem Fahrrad fortzubewegen.
  • Der motorisierte Individualverkehr wird entschleunigt.
  • Die Aufenthaltsqualität in der gesamten Innenstadt wird deutlich erhöht.
  • Ruhender Verkehr wird langfristig von der Straße in Quartiersgaragen verlagert.
  • Wohnstraßen sowie Geschäftsstraßen werden auf einer einheitlichen Basis qualitätsvoll gestaltet.
  • Untergenutzte Flächen im mittelalterlichen Stadtkern (mindergenutzte Gebäude oder Gebäude mit Flachdach) sollen aufgestockt werden, um neue Nutzungen zu ermöglichen und den Stadtkern neu zu beleben. Dieses räumliche System nennt sich "Stadtkrone", da durch die neuen Nutzungen und Dächer der mittelalterliche Stadtkern eine neue Dachlandschaft und somit ein neues Profil erhält.

Die Freiraumstruktur der Innenstadt soll in Zukunft deutlicher ablesbar sein:

  • Die Vier Wälle bleiben mit ihrer Grünstruktur und Aufenthaltsqualität der größte, wichtigste zentrale Freiraum der Innenstadt. Diese Funktion soll mit besonderem Blick auf die Aufenthaltsqualität für Fußgänger*innen weiterentwickelt und gestärkt werden.
  • Die Plätze und Freiräume innerhalb der Wälle liegen alle entlang des Verlaufs der historischen Stadtmauer. Hier wird eine Entwicklung kleinerer „Quartiersplätze" angestrebt, die in ihrer Abfolge schlüssig sind und unterschiedliche Qualitäten aufweisen.
  • Ursprüngliche Plätze und Freiräume mit Platzcharakter (Neumarkt, Friedrichsplatz, Friedrichstraße) haben grundsätzlich Bestand. Sie bilden das Rückgrat der Freiraumstruktur in nordsüdlicher Richtung.

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Bild: Darstellung der Freiraumstruktur Innenstadt

 

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