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Bataverschlacht

Die Luft ist erfüllt vom Geschrei, Pferde wiehern, Klingen von Schwertern scheppern aneinander. Der Angriff der Bataver kam für die Römer völlig überraschend. „Die Folge war keine Schlacht, sondern ein Schlachten", schildert der römische Historiker Tacitus (58 bis 120) in seinen „Historien" die dramatische Situation. Zahlreiche Menschen und Pferde sterben an jenem Herbsttag im Jahr 69 nach Christus bei der kleinen Siedlung Gelduba. In historischen Quellen werden solche Kämpfe und Kriegsschlachten zwar häufig beschrieben, doch wo diese wirklich stattgefunden haben, bleibt oft ein Rätsel. Nicht so in Krefeld. Dort haben Archäologen tatsächlich mit Funden und Ausgrabungen eine historisch überlieferte Schlacht nachweisen können - ein seltener Glücksfall für Archäologen und Historiker.

 

 

Karte der Funde aus der Bataver-Schlacht
Karte der Funde aus der Bataver-Schlacht. Sie spiegeln die historischen Beschreibungen exakt wider.
Bild: Stadt Krefeld, Archäologisches Museum

12.000 römische Soldaten lagern bei Gelduba

Die Geschichte um die Schlacht hat ihren Ursprung in Rom. Mit dem Tod Kaiser Neros im Jahr 68 nach Christus entbrannte eine heftige Auseinandersetzung um seine Nachfolge. Bis zu diesem Zeitpunkt dienten die Bataver als Spezialeinheit in der römischen Armee und auch als Leibgarde von Nero. Doch mit dessen Tod wurden sie von ihrem Dienst entbunden. Die innere Unruhe im Römischen Reich nutzte der Stamm der Bataver aus dem Rheindeltagebiet und mit anderen verbündeten germanischen Stämmen für eine Rebellion, die als Bataveraufstand bekannt wurde.

Der adlige Julius Civilis ließ als Bataver-Anführer im Herbst 69 ein großes römisches Lager in der Nähe des heutigen Xanten belagern. Als Reaktion stellten die Römer ein Heer bei Mainz zusammen. Während der Eilmärsche nach Norden wurde es durch Einheiten aus der Bonner und der Neusser Legion verstärkt. Unter dem Befehl von Gaius Dillius Vocula erreichte so ein gewaltiges Heer von 8000 Legionären und rund 4000 Hilfssoldaten den Ort Gelduba an der nördlichen Grenze zum Gebiet der Aufständigen. Der frühere Mühlenbach trennte dort das südliche von Köln verwaltete Gebiet vom nördlichen in Xanten. Die Wasserfläche im Krefelder Greiffenhorstpark entspricht in etwa dieser Grenzlinie.

Archäologische Funde bestätigen Schilderungen von Tactius

Wer heute über die schmalen Wirtschaftswege entlang der Äcker und Wiesen in Gellep schlendert, ahnt natürlich nichts mehr von den Ereignissen vor rund 2000 Jahren. Die Spuren von Gelduba und der Schlacht befinden beziehungsweise befanden sich im Boden. Auf dem Hochufer vor Hochwasser des Rheins geschützt, siedelten um 20 nach Christus erste römische Soldaten (keine Soldaten, der Locus Gelduba ist eine Zivilsiedlung) und Handwerker. Der Ort wurde als Ausgangspunkt genutzt, um in dem besetzten römischen Gebiet eine Infrastruktur zu errichten, also den Bau von Straßen und festen Stützpunkten voranzutreiben. Vermutlich war die Rheinquerung im Verbund mit dem alten, rechtsrheinischen Hellweg auf germanischer Seite der wichtigste Grund für die Neuanlage gerade an dieser Stelle. Der Ort war in vielerlei Hinsicht eine strategisch günstige Stelle für die Römer, auf dem in den folgenden Jahrhunderten mehrere römische Kastelle gebaut werden sollten. Bereits das römische Feldlager für die 12 000 Soldaten befand sich auf diesem Areal. Ausgrabungen in den vergangenen Jahrzehnten bestätigen die Aussagen Tacitus', denn das Lager besaß nicht nur Wälle und Graben, sondern zumindest stellenweise hölzerne Türme und Torbauten, wie sie bei gewöhnlichen Marschlagern nicht üblich waren.

 

 

Reste eines Feldofens aus dem ersten Jahrhundert
Reste eines Feldofens aus dem ersten Jahrhundert, der neben vielen weiteren Öfen dieser Art bei der Grabung 2017/2018 entdeckt wurde.
Bild: Stadt Krefeld, Archäologisches Museum

Bataver greifen Römer an

Von diesem Lager brach Vocula in das Gebiet der Aufständischen nach Norden auf, zurückblieb der Lagerkommandant Herennius Gallus, der sich mit einem folgenreichen Scharmützel auseinandersetzen musste: Unweit des Feldlagers versuchten „Germanen" im kaum Wasser führenden Rhein ein römisches Getreideschiff zu kapern. Gallus unterschätzte die Situation und schickte nur wenige Soldaten, um die Sache zu klären. Doch es entwickelte sich ein heftiges Gefecht, bei dem die Römer geschlagen, das Schiff verloren und das Dorf Gelduba im Flammen aufging. Die Soldaten gaben die Schuld an der Niederlage dem Lagerkommandanten Gallus, den sie in ihren Zorn verprügelten. Der inzwischen zurückkehrende Vocula konnte Schlimmeres verhindern. Er ließ die Rädelsführer sofort hingerichtet. Doch dieses kleine Gefecht deutet nur an, was noch folgen sollte.

Das Kriegsglück der Römer

Anfang November 69 erschien Civil mit einem Bataver-Heer vor Gelduba und zettelte jene verhängnisvolle Schlacht an. Wegen des Überfalls war der Aufbau der gewöhnlichen Kampfordnung des römischen Heeres nicht möglich. Die Lagerbesatzung verteidigte sich so gut es ging. Die Bataver bedrängten sie so sehr, dass Vocula der Truppe den Befehl erteilte, sich wieder ins Lager zurückzuziehen. Dabei behinderten sie sich selbst und den nachsetzenden germanischen Reitern gelang so die Einnahme der wichtigsten Tore. Die Bataver schienen die Schlacht für sich entschieden zu haben. Römische Hilfstruppen, die meist aus Einheimischen bestand, wechselten nun zu den Batavern, die jetzt innerhalb des Lagers die Römer niedermetzelten. Die römischen Soldaten mussten sich schon fast geschlagen geben, als ihnen im letzten Augenblick eigene, nachrückende Truppen zur Hilfe eilten und die Schlacht trotz hoher Verluste gewannen. Für den Sieg errichteten sie zwei Siegesdenkmäler, an den Stellen, wo sich die Schlacht zu ihren Gunsten wendete (Trophaeum).

Von dieser verheerenden Schlacht zeugen zahlreiche Funde unter anderem rund 200 Pferdeskelette (Archäologie heute). Dazu zählt aber auch ein anderer, extrem seltener Fund, der 2017/2018 entdeckt wurde: Ein spindelförmiger Schildbuckel, der Aufsatz des Schutzschildes, hinter dem sich der Schildgriff befindet. Vergleichbare Funde eines derartigen Schildbuckels aus dem ersten Jahrhundert vor Christus existieren in Europa bislang nur zweimal - und zum dritten Mal in Krefeld. Für die Forschung eine kleine Sensation. Mit diesem Schildbuckeln sind Caesars Legionen nach Gallien marschiert und ging in der Bataverschlacht verloren. Rund 20 Meter hinter einem umkämpften Feldlagergraben entdeckten ihn die Archäologen.

 

 

Foto Rundbuckel in Spindelform
Rundbuckel in Spindelform - ein Fund aus der Bataverschlacht
Bild: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation

Kleiner Sensationsfund

Die Sensation entpuppte sich in der Restaurierungswerkstatt im Archäologischen Museum Krefeld. Im Gegensatz zu bekannten Rundbuckel, wie sie mehrfach auf dem Areal der Bataverschlacht gefunden wurden, besitzt dieser eine Spindelform. Diese Art wurde von den Kelten bereits im vierten Jahrhundert vor Christus hergestellt und über die Jahrhunderte auch später von Römern produziert. Das ist aus Abbildungen aus dem zweiten und ersten Jahrhundert vor Christus bekannt. Allerdings wurden nur in Mittelitalien und Südfrankreich solche römischen Buckel bislang ausgegraben.

Der Krefelder Fund untermauert die Erkenntnis der römischen Militärforschung, dass auch ältere Waffen in der Antike teils über Generationen verwendet wurden. Die einheitlich gekleideten und ausgerüsteten Legionäre sind ein Hollywood-Produkt, die römischen Truppen waren wesentlich vielfältiger und bunter in ihrer Ausrüstung. Ausgrabungen im Zusammenhang mit der Schlacht um Alesia (heute Frankreich), der Entscheidungsschlacht zwischen Caesar und den Galliern mit ihrem Anführer Vercingetorix im Jahr 52 vor Christus, haben Waffenfunde hervorgebracht, die aus einer Spanne von 400 Jahren stammen. Ferner sind bei römischen Legionärshelmen durch unterschiedliche Inschriften bis zu vier Eigentümer und eine Nutzungszeit von mindestens 100 Jahren nachgewiesen worden. Gerade bei Notsituationen und überraschenden Angriffen, wie es bei der Bataverschlacht der Fall gewesen war, griffen die Menschen und Soldaten nach allem, was vorhanden war.

Neues Kastell an der Reichsgrenze

Von dieser Niederlage in Gelduba erholten sich die aufständischen Bataver nicht mehr. Im folgenden Jahr wurden sie bei Xanten endgültig besiegt. Das zerstörte Lager in Gelduba wurde wohl unmittelbar nach der ersten Schlacht wieder aufgebaut und blieb einer Bemerkung des Tacitus zufolge mindestens bis zur Jahreswende besetzt. Noch unter Kaiser Vespasian (69 bis 79) wurde die Notwendigkeit des Kastellbaus zur Sicherung der Reichsgrenze erkannt, wozu die schweren und verlustreichen Kämpfe bei Gelduba beigetragen haben. Nach der Schlacht wurde etwa zwei Jahre später das erste Kastell Gelduba aus Holz und Erde für eine Reitereinheit mit einem Hafen angelegt. Weiter zu den Kastellen

 

 

Neuigkeiten rund um das Welterbe:

Rätsel um geheimnisvollen römischen Graben in Krefeld gelöst
Am Kastellareal in Gellep wurde nun von Archäologen ein weiterer Abschnitt entdeckt.
Dr. Christoph Reichmann, ehemaliger Leiter des Museums Burg Linn, und Stadtarchäologe Dr. Hans-Peter Schletter (r.) vor einem freigelegten Bereich des Grabens. Die roten Markierung wurde nachträglich für eine bessere Wahrnehmung in das Foto montiert. Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, Andreas Bischof
Neue Forschungsergebnisse über die Römer in Krefeld
„Gelduba – das Kastell in der spätantiken Zeit“ heißt die jüngste Publikation von Dr. Christoph Reichmann. Der Archäologe hat darin nun neue Forschungsergebnisse und Erkenntnisse über die letzten Jahre der Römer und das folgende frühe Mittelalter in Krefeld-Gellep veröffentlicht.
Dr. Christoph Reichmann stellt sein neues Buch "Gelduba - das Kastell in spätrömischer Zeit" vor. Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, D. Jochmann
Lüttinger Knabe durfte für 20 Pfennige nackt betrachtet werden
Wie die Statue in den Rhein gelangte, ist offen: vielleicht ein Beutestück, das auf der Flucht verloren ging. Oder ein römisches Schiff hat seine Ladung bei einem Untergang verloren. Im Februar 1858 machten sechs Lachsfischer aus Lüttingen und Bislich am Niederrhein diese erstaunliche Entdeckung
Sonderausstellung im Museum Burg Linn "Fischerei am Niederrhein" . Lüttinger Knabe in der Ausstellung. Bild: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation
Becher-Schüler Volker Döhne und der Niedergermanische Limes
Der Krefelder Fotograf und Becher-Schüler Volker Döhne folgte dem Welterbe „Niedergermanischen Limes“ entlang der einstigen Römerstraße von der Bundeshauptstadt bis nach Xanten.
Der Fotograf Volker Döhne in der neuen Ausstellung des Museums Burg Linn in Krefeld. Bild: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, Andreas Bischof
Ein sarmatischer Spiegel aus Krefeld-Gellep
„Die Geschichte steckt im Boden“, sagen Archäologen oft. Wenn man mal als Besucher bei einer Grabung dabei ist und nichts erkennt außer Lehm, Sand und Stein, dann lesen die Archäologen in den Bodenverfärbungen nicht selten schon eine erste Geschichte.
Die Verbreitung des Sarmatischen Spiegels . Foto: Stadt Krefeld, Archäologisches Museum Krefeld