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Teil 42: 1906 - Die Tanzhusaren kommen nach Krefeld

Veröffentlicht am: 13.09.2023

Wenige Tage nach dem im letzten Beitrag beschriebenen Tonkünstlerfest von 1902 gab es in Krefeld ein weiteres Großereignis. Am 20. Juni besuchte Kaiser Wilhelm II. mit seiner Gemahlin Auguste Viktoria für wenige Stunden die Stadt. Anlass war das 200jährige Jubiläum der Zugehörigkeit zur Krone Preußens.

Wilhelm II. zieht an der der Spitze des Husaren-Regiments Nr. 11 am 2. April 1906 in Krefeld ein. Der Maler Carl Röhling hielt dieses Ereignis fest. Repro. Stadtrchiv
Wilhelm II. zieht an der der Spitze des Husaren-Regiments Nr. 11 am 2. April 1906 in Krefeld ein. Der Maler Carl Röhling hielt dieses Ereignis fest. Repro. Stadtrchiv

Die Vorbereitungen für den Kurzbesuch hatten wochenlang gedauert. Die Stadt war mit Triumphbögen, Fahnen, Girlanden und Blumen festlich geschmückt, eine Ehrenkompanie nahm vor dem Kaiser Wilhelm Museum Aufstellung, wo die offizielle Feier stattfinden sollte. Kurz nach 11 Uhr traf das Kaiserpaar am Nordbahnhof ein und wurde dort von Oberbürgermeister, Landrat und Bezirkskommandeur empfangen. Im offenen Wagen, begleitet von großem Jubel, fuhren die Majestäten zum Karlsplatz. Sie wurden dabei von einem Ulanen-Regiment aus Düsseldorf eskortiert, denn ein eigenes Regiment gab es damals in Krefeld nicht. Das sollte sich durch den kaiserlichen Besuch ändern. Auf der eigens dafür ausgebauten Treppe des Museums standen zwanzig sogenannte Ehrenjungfrauen Spalier. Beim anschließenden Empfang im Oberlichtsaal wurden die jungen Krefelderinnen dem Kaiser vorgestellt. Er zeigte sich von ihrem „Chic" sehr angetan und erbat sich ein Gruppenfoto von den in Weiß gekleideten Schönheiten. Bei dieser Gelegenheit soll es auch zu einem Gespräch zwischen dem Monarchen und einigen Damen gekommen sein, das bis heute den Stoff für eine beliebte Krefelder Anekdote bildet. Wilhelm II. erkundigte sich, ob die Damen denn oft tanzen würden. Die Antwort lautete: „Nur alle Vierteljahre, da die jungen Herren sich hier mehr für ihre Geschäfte interessieren."

Darauf der Kaiser: „Soll ich Ihnen Leutnants herschicken?" „Majestät, das tun Sie ja doch nicht", soll eine der jungen Frauen erwidert haben. Wie sich noch am Abend dieses Festtages zeigte, hatte sie sich getäuscht. Nach der Besichtigung einer Ausstellung von Samt-und Seidenwaren verließ das Kaiserpaar nach einer Stunde das Museum und fuhr über die vier Wälle durch die ganze Stadt zum Bahnhof. Von dort ging die Reise weiter über Uerdingen nach Essen zur Villa Hügel. Am Abend traf in Krefeld ein Telegramm des Generals von Bissing mit folgender Mitteilung ein: „Auf Befehl Seiner Majestät des Kaisers und Königs soll Crefeld Garnison erhalten. Ich bitte um baldige Vorschläge über Unterbringung eines Husaren-Regiments in der Stadt; Exerzierplatz in der Umgegend". Knapp vier Jahre später war es dann soweit. Am 2. April 1906 zog Wilhelm II. an der Spitze des 2. Westfälischen Husarenregiments Nr. 11 in die Stadt ein. Um acht Uhr morgens rückte das Regiment von seinem bisherigen Standort Düsseldorf aus und traf gegen Mittag auf dem Sprödentalplatz ein.

Der Kaiser war separat mit dem Zug aus Wernigerode gekommen und bestieg erst am Nordbahnhof ein für ihn bereit gehaltenes Pferd. Unter Salutschüssen ritt er dem Regiment entgegen. Dann formierte sich ein Festzug, der zum Ostwall/Ecke Rheinstraße führte. Dort waren zwei Tribünen errichtet worden und es gab eine offizielle Begrüßung mit Ansprache des Oberbürgermeisters. Der Festzug ging weiter zum Friedrichsplatz, wo ein Chor unter Leitung von Musikdirektor Müller-Reuter eine selbst von ihm verfasste Vertonung von Schillers „Ode an die Freude" aufführte.

Auf dem Bissingplatz (heute Konrad-Adenauer-Platz) nahm der Kaiser die Parade ab und zog dann unter großem Jubel mit den Husaren in die neue Kaserne an der Girmesgath ein. Nach der offiziellen Übergabe an das Regiment machte Wilhelm II. einen kurzen Rundgang, dann nahm er mit seinem Gefolge und dem Offizierskorps im Casino ein Frühstück ein.

Am späten Nachmittag gab es eine Festvorstellung im Theater, wo der Kaiser auch wieder einigen Ehrendamen begegnete, die sich vermutlich über die Einlösung des kaiserlichen Versprechens gefreut haben werden. „Der Stadt Krefeld habe ich ihre Garnison gebracht und den jungen Damen ihre Tänzer." Diese Aussage Wilhelms führte dazu, dass man bald auch über die Grenzen Krefelds hinaus von den „Tanzhusaren" sprach. Das Regiment fasste diese Bezeichnung als Ehre auf. Es blickte bereits damals auf eine fast 100jährige Geschichte zurück. Gegründet 1813 aus den restlichen Beständen eines Jäger-Regiments des Großherzogtums Berg, hatte es nach den napoleonischen Befreiungskriegen zunächst seinen Standtort in Münster, später in Düsseldorf. Seit 1861 trug es den Namen „2. Westfälisches Husaren-Regiment Nr. 11". Da die Wege zum Exerziergelände in Düsseldorf sehr weit waren, hatte man schon seit längerem nach einem günstigeren Standort gesucht. Krefeld hatte sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts um eine eigene Garnison bemüht. Von der Entscheidung des Kaisers profitierten also gleich mehrere Seiten.

Wie zu der damaligen Zeit üblich, hatte das Regiment einen nominellen „Chef", der aus hochadeligen Kreisen stammte. Der erste war der niederländische König Wilhelm III., der von 1855 bis zu seinem Tod 1890 diesen Titel hatte. Der nächste „Chef-Inhaber" war der österreichische Erzherzog Otto, der bereits 1906 mit vierzig Jahren verstarb. Der letzte Inhaber während der Krefelder Zeit der Husaren war sein Sohn Karl Franz Joseph, der als letzter österreichischer Kaiser in die Geschichte einging. Als besondere Auszeichnung trug das Regiment auf seiner Uniform den kaiserlichen Namenszug (die Initiale K zusammen mit der österreichischen Kaiserkrone und der ungarischen Königskrone).

Die Soldaten waren in Krefeld sehr beliebt, knüpften auch freundschaftliche Beziehungen zu den Husaren in Venlo. 1913 gab es aus Anlass ihrer Gründung eine Jubiläumsfeier mit Reiterfestspielen im Stadtwald. Kurz danach brach der Erste Weltkrieg aus, die Husaren zogen ins Feld und ihre Zeit in Krefeld endete.

Ein 1929 auf dem Grafschafter Platz errichtetes Reiterdenkmal aus Bronze erinnert bis heute an die Gefallenen dieses einst so beliebten Regiments.

Alle Beiträge werden unter www.krefeld.de/1373 und www.krefeld650.de veröffentlicht.

Alle Beiträge aus der Artikelreihe des Krefelder Stadtarchivs zum 650-jährigen Stadtjubiläum:
Teil 57: 1980er Jahre - Die Philadelphiade und der Krefelder Appell
Mit dieser Folge endet die Reihe des Stadtarchivs Krefeld.
Von links: OB Dieter Pützhofen empfängt mit seiner Frau Angelika besondere Gäste: Bundespräsident Karl Carstens; Veronika Carstens, US-Vizepräsident George Bush, Barbara Bush, Hannelore Kohl und Bundeskanzler Helmut Kohl. Foto: Stadtarchiv Krefeld
Teil 56: Architektur der 1970er Jahre - der „Mississippi-Dampfer" und das Seidenweberhaus
Auch Krefeld hat, nach den starken Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg, im Zuge des Wiederaufbaus sein Gesicht sehr stark verändert.
Das Seidenweberhaus. Foto: Stadtarchiv Krefeld
Teil 55: 1964 erste Städtepartnerschaft mit Venlo
Im Jahr 2024 gibt es in Krefeld wieder ein Jubiläum zu feiern. Dann blickt die Städtepartnerschaft mit Venlo auf ihr 60jähriges Bestehen zurück. Am 21. November 1964 wurde die Urkunde im Krefelder Rathaus unterzeichnet.
Unterzeichnung der Städtepartnerschaft. Foto: Stadtarchiv
Teil 54: 1950 - die „Theaterehe" zwischen Krefeld und Mönchengladbach wird geschlossen
Im Jahr 2025 feiert der Zusammenschluss der Theater Krefeld und Mönchengladbach sein 75jähriges Bestehen.
Ansicht Stadttheater 1965 nach dem Umbau. Foto: Stadtarchiv
Teil 53: Krefeld ist nur noch ein Trümmerhaufen - die Zerstörung Krefelds im Juni 1943
Abgeworfen wurden rund 2100 Tonnen von Minen-, Spreng-, Stabbrand- und Phosphorbrandbomben, viele davon fielen auch ins Hülser Bruch und Kempener Feld.
Blick vom Turm der Dionysiuskirche Richtung Westen. Foto: Stadtarchiv

Die Krefelder Rheinstraße im Jahr 1916. Bild: Stadt Krefeld, Stadtarchiv
Die Krefelder Rheinstraße im Jahr 1916.
Bild: Stadt Krefeld, Stadtarchiv

 

Informationen zur Reihe: Das Stadtarchiv blickt anlässlich des Stadtjubiläums in die Krefelder Geschichte

Prag. Freitag, 1. Oktober 1373. Mit der Unterzeichnung einer Urkunde durch Kaiser Karl IV. wird aus dem Dorf die Stadt Krefeld. 650 Jahre ist das nun her. Anlässlich des Jubiläums blickt das Stadtarchiv in chronologischer Reihenfolge mit Geschichten und Anekdoten in die Vergangenheit. „Das machen wir mit wissenswerten Beiträgen, aber auch mit humorvollen Geschichten", sagt Archivleiter Dr. Olaf Richter. Der Blick in die Historie richtet sich zwei Mal pro Woche nicht alleine auf den kleinen Flecken, den mittelalterlichen Siedlungskern, sondern auf das Gebiet des heutigen Krefelds.