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Biographisches Gutachten über Albert Steeger in Krefeld vorgestellt

Veröffentlicht am: 01.02.2022

Die Straßennamen-Kommission der Stadt Krefeld beschäftigt sich mit der historischen und politischen Rolle von Persönlichkeiten. Sie empfiehlt dem Stadtrat, ob Straßennamen geändert oder mit einem Informationszusatz versehen werden sollen - das gilt auch für die Albert-Steeger-Straße in Krefeld-Linn. Zu der Biographie des einstigen Museumsleiters und Wissenschaftlers gab es noch offene Fragen: Oberbürgermeister Frank Meyer, der an der Universität Bonn lehrende Professor Joachim Scholtyseck und Dr. Olaf Richter, Leiter des Krefelder Stadtarchivs, haben nun ein biographisches Gutachten über Professor Albert Steeger (1885-1958) vorgestellt, insbesondere mit Blick auf seine Aktivitäten zur Zeit des Nationalsozialismus.

Oberbürgermeister Frank Meyer: "Das Gutachten liefert eine sehr stichhaltige Analyse."

„Verwaltungsseitig haben wir uns entschieden, zur Vorbereitung der Arbeit der Straßennamen-Kommission uns nochmals zu vergewissern, wie eine Bewertung von Steeger aussehen könnte", sagt Oberbürgermeister Frank Meyer. Nach der Auswertung des Gutachtens wird die Verwaltung der Straßennamen-Kommission, die dem Stadtrat eine Entscheidungsempfehlung ausspricht, vorschlagen, an der Benennung nach Albert Steeger in Krefeld festzuhalten. „Das Gutachten liefert dafür eine sehr stichhaltige, nachvollziehbare und sehr gut vertretbare Analyse und sehr gute Überlegungen", sagt der Oberbürgermeister.

Professor Scholtyseck fertigte das Gutachten an

Das Gutachten zur wissenschaftlichen Position und der gesellschaftlichen Rolle von Steeger hat Professor Scholtyseck angefertigt, das 42 Seiten und 146 Anmerkungen umfasst. Den Auftrag erhielt er vergangenes Jahr. „Ich hatte alle wissenschaftlichen Freiheiten, wie sich das an für sich gehört, aber nicht unbedingt immer selbstverständlich ist, das kann ich aus meiner berufliche Karriere sagen, das heißt, es gab hier keine Vorabsprachen, es gab nichts, was mich in irgendeiner Art und Weise wissenschaftlich behindert hat", betont Scholtyseck. Die auf einer ausführlichen Akten- und Literaturdurchsicht beruhende Analyse zeige, dass es für die Frage, ob Steeger „angebräunt" gewesen sei, nur für die Jahre 1934/1935 wenige Indizien gebe.

„Der Mann denkt wissenschaftlich. Das steht bei ihm im Vordergrund", betont Scholtyseck. Auf tausenden von Seiten, die Steeger in den 1930er- und 1940er-Jahren schrieb, finden sich keine Hinweise, dass er vom rassistischen geschweige denn vom antisemitischen Gedankengut beeinflusst war. „Wenn man so eine Aufgabe übernimmt, muss man aus den Quellen arbeiten. Man muss in mehrere Archive gehen und alles abgrasen", so der Gutachter. Hinsichtlich der völkischen Komponente zeigen wenige Passagen in seinen Texten eine Anbiederung an den nationalsozialistischen Zeitgeist. Hier sei insbesondere sein Beitrag in der Festschrift zur Ausstellung „2000 Jahre germanisches Bauerntum am linken Niederrhein" zu nennen. Darin thematisiert Steeger den Kampf der linksrheinischen Germanen gegen die römischen Besatzer.

Das Gutachten und die Erkenntnisse werden in einem Pressegespräch mit Oberbürgermeister Frank Meyer (rechts), Dr. Olaf Richter (links), Leiter des Stadtarchivs, und dem Gutachter Professor Dr. Joachim Scholtyseck von der Universität Bonn vorgestellt. Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, D. JochmannDas Gutachten und die Erkenntnisse werden in einem Pressegespräch mit Oberbürgermeister Frank Meyer (rechts), Dr. Olaf Richter (links), Leiter des Stadtarchivs, und dem Gutachter Professor Dr. Joachim Scholtyseck von der Universität Bonn vorgestellt.
Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, D. Jochmann

Steeger als Wissenschaftler

Die wenigen problematischen Hinweise stehen qualitativ und quantitativ jedoch in keinem Verhältnis zu den unzähligen Beiträgen, in denen sich Steeger strikt wissenschaftlich und etwa nicht im Stil, Duktus und Inhalt der NS-Weltanschauung äußerte. Für Steeger ging es, wie seine Schriften und Verlautbarungen zeigen, um Wissenschaft, nicht um die NS-Ideologie. Seine Mitgliedschaft in der NSDAP sei als opportunistisch, mit einer gewissen „Karrieresucht" zu bewerten. Steeger gehörte zwar nicht zu den sprichwörtlichen „Märzgefallenen", aber zu den „Maiveilchen", also denjenigen, die nach der „Machtergreifung" in die NSDAP strömten. In seinen Mitgliedschaften in anderen NS-Nebenorganisationen habe er sich nicht groß engagiert. „Anderen NS-Organisationen, geschweige der SA oder SS, blieb Steeger fern, so dass seine Mitgliedschaften in Parteiorganisationen kein ausreichendes Indiz für eine Ideologisierung darstellen", berichtet der Gutachter.

„Albert Steeger ist sicherlich kein Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus gewesen, aber auch kein strammer Nazi", so der Oberbürgermeister. Am 30. März 1948 wurde er im Rahmen der Entnazifizierung als „Mitläufer" eingestuft. Gegen die Weiterbeschäftigung bestanden seitens der britischen Behörden „keine Bedenken". Seine wissenschaftlichen Verdienste vor und nach dem Zweiten Weltkrieg unter anderem im Bereich der Archäologie, den Naturwissenschaften, seine Museumarbeit sowie als Mitbegründer des Vereins für Heimatkunde und der Publikation des Krefelder Jahrbuches „Die Heimat" haben für Krefeld eine große Bedeutung. „Steeger formte das Krefelder intellektuelle Milieu bedeutend mit. Darüber hinaus ist er nicht auf Krefeld beschränkt gewesen, sondern wirkte über den Niederrhein bis ins Rheinland, so dass er in eine Reihe mit herausragenden Forscherpersönlichkeiten der ersten Hälfte der 20. Jahrhunderts steht", sagt Dr. Olaf Richter, Leiter des Stadtarchivs Krefeld.

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