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Teil 48: 1919 - Beginn der belgischen Besatzung

Veröffentlicht am: 24.10.2023

Am 9. November 1918 verkünden die Zeitungen die Abdankung Kaiser Wilhelms II. Das deutsche Kaiserreich ist beendet, der Krieg verloren. Für die Menschen folgt eine lange Zeit der Besatzung. Das Rheinland war hauptsächlich französisch besetzt. Im linksrheinischen Gebiet nahmen die Belgier den nördlichen Teil mit den Zentren Aachen und Krefeld ein.

Bereits einen Monat nach Kriegsende, am 7. Dezember 1918, marschierten belgische Truppen in Krefeld ein. „Nun ist das Rätselspiel wirklich zu Ende", schrieb die niederrheinische Volkszeitung an diesem Tag. Bereits am 27. November war der Einmarsch der Besatzungstruppen in das linksrheinische Gebiet angekündigt worden. Die Zeitung meldete auch, dass am Tag vor dem Einmarsch ein Auto vor dem Rathaus gesichtet wurde. Ein belgischer Offizier stieg aus und führte mit dem Oberbürgermeister Johannes Johansen lange Gespräche. Die Einwohner beobachteten diese Vorgänge mit großem Interesse. Am nächsten Tag, Samstag, den 7. Dezember, traf zuerst ein 18-köpfiges belgisches Radfahrerbataillon ein. Sie fuhren unter Trompetensignalen ins Zentrum, Ziel war die Husarenkaserne, wo die Ankunft der Truppen vorbereitet werden sollte.

Belgische Soldaten. Repro: Stadtarchiv
Belgische Soldaten. Repro: Stadtarchiv

Für die Offiziere mussten private Unterkünfte organisiert werden, das geschah in Hotels und in bürgerlichen Wohnungen. Nach und nach erreichten weitere Einheit die Stadt. Am 11. Dezember rückten dann 4000 Soldaten ein, die dauerhaft hierbleiben sollten. Wie die Zeitung berichtet, führten die Truppen „viel Artillerie, Feldgeschütze.." und „mehrere gut besetzte Musikkapellen" mit sich. In den Presseberichten spiegelt sich auch wider, wie sich die Stadt innerhalb weniger Tage veränderte und zwar zum Positiven hin: „Das Leben und Treiben scheint von Tag zu Tag zu wachsen." Man sah Offiziere in ihren Autos, insgesamt bot sich wieder „ein reich belebtes militärisches Bild, wobei Khakibraun statt unserem Feldgrau den Grundton bildet". Viele Krefelder saßen sogar mit dem belgischen Militär in Gastwirtschaften und Kaffeehäusern. Auf den öffentlichen Gebäuden wie dem Rathaus wehte jetzt die belgische Fahne, es gab Truppenparaden auf dem Neumarkt. Die der Kaserne nahe gelegene Kirche St. Anna diente als Garnisonskirche. Trotz dieser zunächst positiven Eindrücke stand die Bevölkerung der Situation eher kritisch gegenüber. Es war die Angst vor dem Ungewohnten, denn die letzte Besatzungszeit lag über 100 Jahre zurück. Und auch während der vier Kriegsjahre war Krefeld, wie das gesamte Rheinland, von Kampfhandlungen verschont geblieben. Man befürchtete jetzt nachteilige Auswirkungen auf den Alltag. In dem „Befehl an die Bevölkerung von Crefeld" vom 7. Dezember 1918 wurden dann auch einige Einschränkungen angeordnet.

Dazu gehörten eine Ausgangssperre ab 20 Uhr, Verbot des Autoverkehrs, Versammlungsverbot und keine Reisen in rechtsrheinisches Gebiet. Es wurde auch eine Zensur verhängt und im Rathaus ein Militärgericht eingerichtet. Die Krefelder Bürgerwehr wurde aufgelöst, alle Waffen mussten angegeben werden. Die Uhren waren gingen jetzt nach belgischer Zeit, das heißt, sie wurden eine Stunde zurückgestellt. Mitte Dezember riet die „Crefelder Zeitung" ihren Lesern, sich zu fügen „auch wenn's schwer fällt". Die belgische Militärverwaltung überzog die gesamte Innenstadt mit einer parallelen Verwaltungs- und Polizeiorganisation, auch mit Versorgungs- und Freizeiteinrichtungen. Eine große Herausforderung blieb die Unterbringung der Soldaten. Zwar ging ihre Zahl von 7400 zu Beginn auf eine Zahl zwischen 6500 bis 5000 im Jahr 1926 zurück. Krefeld, das damals 130.000 Einwohner hatte, war innerhalb der Vierten Besatzungszone die größte Garnison. Im Vergleich mit anderen Städten bedeutete das nicht die größte Belastung, aber es war trotzdem notwendig, neben den Kasernen auch zivile Gebäude zu nutzen. Darüber hinaus entschloss man sich, für Offiziersfamilien Neubauten zu errichten. So entstanden ab 1919 insgesamt 184 Mehrfamilienhäuser östlich der Innenstadt am Hohen Haus und im Umfeld der Kaserne. Dort entstand das sogenannte Belgische Viertel, das heute zu den begehrten Wohnlagen Krefelds zählt. Die Zeit der Besatzung endete erst am 31. Januar 1926. Danach machte Reichspräsident von Hindenburg eine Rundreise durch die befreiten Gebiete und wurde am 22. März auch in Krefeld sehr festlich empfangen.

Mit der Unterzeichnung einer Urkunde durch Kaiser Karl IV. am 1. Oktober 1373 in Prag wird aus dem Dorf die Stadt Krefeld. 650 Jahre ist das nun her. Anlässlich des Jubiläums blickt das Stadtarchiv in chronologischer Folge mit Geschichten und Anekdoten in die Vergangenheit. Der Blick in die Historie richtet sich nicht alleine auf den kleinen Flecken, den mittelalterlichen Siedlungskern, sondern auf das Gebiet des heutigen Krefelds. Alle Beiträge werden unter www.krefeld.de/1373 und www.krefeld650.de veröffentlicht.

 

Alle Beiträge aus der Artikelreihe des Krefelder Stadtarchivs zum 650-jährigen Stadtjubiläum:
Teil 47: 1915 - die erste Feuerbestattung findet in Krefeld statt
In der preußischen Zeit wurden die Friedhöfe aus der inneren Stadt verlegt. In Krefeld gab es zunächst den heutigen Stadtgarten, der aber ebenfalls bald zu klein wurde.
Das Krematorium in Krefeld. Repro: Stadtarchiv
Teil 46: Eine Kindheit in Krefeld am Vorabend des Ersten Weltkriegs
Erinnerungen des Architekten Helmut Hentrich.
Die Rheinstraße um 1916 - Ansichtspostkarte. Repro: Stadtarchiv
Teil 45: Die Geschichte des Stadtwalds
Der Stadtwald ist ein beliebtes Naherholungsgebiet. Krefeld ist bekannt für seine vielen Parkanlagen und Alleen. Die größte Grünfläche ist der Stadtwald, der nur zwei Kilometer von der Innenstadt entfernt liegt.
Partie im Stadtwald in Bockum. Repro: Stadtarchiv Krefeld
Teil 44: Im Jahr 1907 werden Bockum, Verberg und Oppum eingemeindet
Nach der Jahrhundertwende wuchs die Stadt auch flächenmäßig. Nachdem 1901 bereits Linn eingemeindet wurde, folgten 1907 mit Bockum, Verberg und Oppum drei weitere Orte.
Partie im Botanischen Garten in Krefeld. Repro: Stadtarchiv Krefeld
Teil 43: Johan Thorn Prikker und die Kunstgewerbeschule
Nach seiner kurzen Krefelder Zeit hat Thorn Prikker hier bedeutende Spuren hinterlassen. Zu den schönsten Beispielen zählen zwei Fenster in der Liebfrauenkirche.
Wandbild "Lebenszyklus" im Kaiser-Wilhelm-Museum. Foto: Stadtarchiv Krefeld

Die Krefelder Rheinstraße im Jahr 1916. Bild: Stadt Krefeld, Stadtarchiv
Die Krefelder Rheinstraße im Jahr 1916.
Bild: Stadt Krefeld, Stadtarchiv

 

Informationen zur Reihe: Das Stadtarchiv blickt anlässlich des Stadtjubiläums in die Krefelder Geschichte

Prag. Freitag, 1. Oktober 1373. Mit der Unterzeichnung einer Urkunde durch Kaiser Karl IV. wird aus dem Dorf die Stadt Krefeld. 650 Jahre ist das nun her. Anlässlich des Jubiläums blickt das Stadtarchiv in chronologischer Reihenfolge mit Geschichten und Anekdoten in die Vergangenheit. „Das machen wir mit wissenswerten Beiträgen, aber auch mit humorvollen Geschichten", sagt Archivleiter Dr. Olaf Richter. Der Blick in die Historie richtet sich zwei Mal pro Woche nicht alleine auf den kleinen Flecken, den mittelalterlichen Siedlungskern, sondern auf das Gebiet des heutigen Krefelds.