Inhaltsbereich

Textilmuseum: Ludwig XVI. und eine Weste für einen Baron aus Franken

Veröffentlicht am: 09.03.2022

Dr. Isa Fleischmann-Heck und Dr. Anja Kregeloh (rechts) mit der Seidenweste des Barons von Buttler (links). Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, A. BischofDr. Isa Fleischmann-Heck und Dr. Anja Kregeloh (rechts) mit der Seidenweste des Barons von Buttler (links).
Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, A. Bischof

Textilmuseum: Ludwig XVI. und eine Weste für einen Baron aus Franken

Eine kurze Notiz beflügelt die Fantasie an eine prunkvolle Zeremonie, einen außergewöhnlichen Augenblick in einem der Räume von Schloss Versailles oder dessen weitläufigen Garten: Dr. Anja Kregeloh zieht aus einer kleinen Klarsichthülle einen Vermerk aus der Mitte des 20. Jahrhunderts hervor. Auf ihm notierte ein unbekannter Verfasser knapp: Der französische König Ludwig XVI. schenkte dem Baron von Buttler eine Weste aus Seide, die wiederum aus dem Nachlass einer Marion stamme. Die kostbare Weste zählt zu der rund 900 Objekte umfassenden Seiden-Sammlung des Deutschen Textilmuseums Krefeld.

Kleidungsstücke werden kunst- und kulturhistorisch einsortiert

Für das Forschungsvorhaben „Parvenue - Bürgerlicher Aufstieg im Spiegel der Objektkultur im 18. Jahrhundert" wurden die Kleidungsstücke, Accessoires und andere Stücke dieses Museumsbestandes bereits material- und gewebetechnisch untersucht und in einer Datenbank erfasst. In dem Teilprojekt „Seiden" ordnet Kregeloh als Projektmitarbeiterin nun die Stücke kunst- und kulturhistorisch ein. Dabei versucht sie, Objekte aus Seide den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aufsteigern bürgerlicher Herkunft zuzuordnen. „Das ist nur in wenigen Fällen möglich", sagt Kregeloh. Dieses „Dingfestmachen" an Personen sei die Herausforderung des Projektes: Fallen die sozialen Aufsteiger wegen ihrer Mode peinlich auf oder passen sie sich den gesellschaftlichen Normen an?

Kleidung galt als ein persönliches Geschenk

Der Freiherr des Carl Philipp von Buttler diente in der Armee des französischen Königs. Ein Baron aus einer adligen Nebenlinie aus Franken dürfte in Versailles jedoch eher unbedeutend gewesen sein - vielleicht änderte sich das durch die Geste des Königs. „Kleidung ist ein sehr persönliches Geschenk", betont Kregeloh. Buttler stand dem absoluten Regenten wohl sehr nah. Das Material der Weste, das aufwändige Weben der Seide, die Veredelung mit Silberstickereien - das sei ein Luxusprodukt für Reiche gewesen. Die Seidenweste aus der Zeit 1770/1780 könnte man als Anerkennung und Wertschätzung durch den König ansehen. „Es ist gut möglich, dass er die Weste dann am Hof getragen hat", so die Kunsthistorikerin. Nach wie vor bildete Versailles unter Ludwig XVI. den Mittelpunkt des höfischen Frankreichs, und ein derartiges Geschenk unterstrich Buttlers Stellung, seinen möglichen Aufstieg in diesem gesellschaftlichen Gefüge.

Obwohl die Weste rund 250 Jahre alt sei, befinde sie sich in einem guten Zustand. „Man hat die Kleidungsstücke vererbt. Auch ein getragenes Stück hatte seinen Wert", erklärt die Kunsthistorikerin. So überdauerte das Objekt die Jahrhunderte. Ob die Weste in einer Werkstatt in Paris oder Lyon angefertigt wurde, lasse sich nicht mehr nachvollziehen. „Wir vermuten Lyon. Es gab am französischen Hof aber auch eigene Sticker", so Kregeoh.

Veredelungen waren Zeichen für Stil

Die „neureichen" Bürger strebten im 18. Jahrhundert den Lebensstil des Adels an. Das drückte sich äußerlich in der Kleidung aus. „Es ging darum, die neueste Mode zu tragen", berichtet Kregeloh. Und die änderte sich schnell. In den Modezeitschriften aus Frankreich und deutschsprachigen Ländern - wie dem „Journal des Luxus und der Moden" - wurde dieser permanenter Wandel unaufhörlich befeuert. Es galt vor allem in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, dem aktuellen Geschmack zu entsprechen, in der Mode, der zu lesenden Literatur, den zu besuchenden Theaterstücken und der eigenen Inneneinrichtung. In den abonnierten Zeitschriften stand, was man kennen und haben musste. Zudem sprachen die Damen in den privaten Salons über die Berichte, was zur Verbreitung der Neuigkeiten beitrug. Um zumindest ein bisschen die Kosten zu senken, wurden die Dekore von Kleidungstücken umgearbeitet. „Das konnte man auch mal schnell an den vorhandenen Kleidungsstücken wechseln, mit diesen Veredelungen war man wieder up to date", so die Kunsthistorikerin.

Sammelband erscheint bald

Die Ergebnisse ihrer Forschungsarbeit fließen demnächst in einen Sammelband und eine Ausstellung ein. Zurzeit arbeitet Kregeloh an ihrem Beitrag für eine geplante Veröffentlichung des Gesamtprojektes. „Das Verbundprojekt „Parvenue - Bürgerlicher Aufstieg im Spiegel der Objektkultur im 18. Jahrhundert" ist an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, der Hochschule Fresenius Berlin/AMD Fachbereich Design, dem Deutschen Textilmuseum Krefeld, dem Museum Burg Linn und dem Hetjens - Deutschen Keramikmuseum angesiedelt", sagt Dr. Isa Fleischmann-Heck, stellvertretende Museumsleiterin. Es widmet sich der bisher wenig erforschten Kunst und materiellen Kultur von sozialen Aufsteigern, sogenannten Parvenues, als Instrument der Identitätsstiftung und Selbstvergewisserung. Objekte und Kunstwerke, die Parvenues am Niederrhein, in Hamburg und Kopenhagen erwarben oder in Auftrag gaben, werden aus kunsthistorischer und sozialwissenschaftlicher Perspektive erforscht. Weitere Informationen stehen unter www.parvenue-projekt.de.