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Stadt, Land, Fluss – Landschaft und Gewässer um 1373 in Krefeld

Veröffentlicht am: 24.10.2023

Hohenzollernstraße mit Weiher um 1920. Bild: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation
Hohenzollernstraße mit Weiher um 1920. Bild: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation

Krefelder Jahrbuch

Es benötigt schon reichlich Fantasie, um sich ein Bild von Krefeld vor 650 Jahren vorzustellen. Das gilt insbesondere für die direkt umgebende Landschaft. Was sahen die Krefelder, wenn sie 1373 vor die Tore ihrer gerade zur Stadt erhobenen Ortschaft gingen? Nach Osten endete die Stadt an der heutigen Mennoniten-Kirch-Straße. Wer dort stand und Richtung Rhein blickte, schaute über die Kante von der Mittel- auf die Niederterrasse auf eine dichte Busch- und Waldlandschaft mit zahlreichen Feuchtgebieten. In der Ferne sah der Betrachter vielleicht noch den Rhein und die Kirchtürme in Uerdingen und Linn. Nach einer akribischen Quellen- und Schriftenuntersuchung können nun Carmen Gallas und Stefan Kronsbein die Landschaft im heutigen Stadtgebiet um das Jahr 1373 skizzieren, insbesondere die Wasserläufe. Ihre Forschung haben sie in der Übersicht „Stadt, Land, Fluss - Die Gewässer in Krefeld um 1373" zusammengefasst, die in der neuesten Ausgabe des Krefelder Jahrbuchs „Die Heimat" (Veröffentlichung November 2023) erscheint. So fanden sie heraus, dass die „Moerse" einst innerhalb des mittelalterlichen Stadtkerns begann. „Von ihr hat die Stadt Moers ihren Namen", so Kronsbein.

Hochstraße ist höchster Punkt der Innenstadt

Die Hochstraße bildet noch heute mit fast 40 Metern über Normalnull den höchsten Punkt in der Innenstadt. Die Angerhausenstraße zwischen Hoch- und Königstraße schlängelt sich immer noch seltsam untypisch durch die Innenstadt. Ihre Trasse entspricht wohl dem Verlauf einer Rinne. „Das ist der Beginn der Moerse", so Kronsbein. Wohl gespeist von Grund- und Regenwasser mündete der Wasserlauf von der heutigen Angerhausenstraße zunächst in die Gräben von Burg Krakau vor der Stadt, um von dort Richtung Bismarckplatz und Hohenzollernstraße weiterzufließen. Das Wasser dieser Rinne wurde später in einem kleinen, offenen Kanal über die Rheinstraße umgeleitet. Hier haben Gallas und Kronsbein eine Lithographie aus den 1820er-Jahren im Stadtarchiv entdeckt, die jenen Kanal mit kleinen Querungen zeigt. Erst mit dem Kanalbau in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verschwand er gänzlich unter die Erde. Und damit endete wohl auch erst die Gefahr. Denn in die - zudem mit Kot gefüllten - innerstädtischen Rinnen fielen immer mal wieder Kinder und auch Erwachsene hinein.

Im Vergleich zu heute weniger Wasserläufe

Bislang vermutete man die „Quelle" der Moerse um Burg Krakau. Alte Stadtpläne und vor allem die Darstellung der historischen Gewässer auf der Grundlage der siedlungsgeschichtlichen Karte von Felix Rütten und Albert Steeger aus dem Jahr 1931 stützen nun die These von Gallas und Kronsbein. Es gab zwar im Vergleich zu heute weniger Wasserläufe, aber die Grundwasser und damit die Gewässerstände seien in früheren Zeiten wohl deutlich höher gewesen. Auf dem Weg der Moerse zum Rhein gab es in Bockum zudem einen Zusammenfluss. „Eine schwach ausgeprägte Rinne, die im Bereich Germaniastraße Ecke Kaiserstraße beginnt und bogenförmig Richtung Jentgesallee und Deußstraße verläuft, könnte der natürliche Ursprung des Moersbachs sein", so Kronbeins. Von der Deußstraße vorbei an Haus Zwingenberg, Haus Traar nach Moers-Kapellen, das Stadtgebiet von Moers querend endete der Gewässerlauf letztlich bei Ossenberg in den Rhein.

Weiher und Wasserverläufe sind längst zugeschüttet worden

Ihre Schlüsse stützen Gallas und Kronsbein wiederholt auf Schilderung aus dem 19. Jahrhundert. Denn die Landschaft des Mittelalters „verschwand" erst in diesem Zeitraum mit dem Wachstum der Stadt und der damit einhergehenden Bebauung. Bis dahin habe sich das Gebiet seit der vergangenen Eiszeit kaum verändert. „So war es eben auch noch im 14. Jahrhundert", so Kronsbein. Teile der Moerse/Moersbach im Bereich der Hohenzollernstraße sind sogar noch auf Fotografien aus dem 20. Jahrhundert zu sehen. Die Krefelder fuhren dort im Sommer mit Kähnen, im Winter liefen sie Schlittschuh auf den zugefrorenen Flächen. Diese Weiher und Wasserverläufe sind längst zugeschüttet worden und höchstens als kleine Senken auf dem Grünstreifen der Hohenzollernallee zu erahnen.

Stellen den Beitrag über Gewässer vor: (v.l.) Archivleiter Dr. Olaf Richter, Autorin Carmen Gallas und Autor Stefan Kronsbein. Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation
Stellen den Beitrag über Gewässer vor: (v.l.) Archivleiter Dr. Olaf Richter, Autorin Carmen Gallas und Autor Stefan Kronsbein. Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation

Mündung in den Rhein

Ähnlich erging es dem Mühlenbach in Linn, der in den Weihern des Greiffenhorst-Parks aufgegangen ist und zumindest dort Wasser führt. Ansonsten ist der Graben in der Regel trockengefallen. Die Mündung in den Rhein wurde unterirdisch kanalisiert. „Der Mühlenbach war wohl im Mittelalter in seinem Lauf unterhalb Linns für Kähne schiffbar", so Kronsbein. Noch im 20. Jahrhundert schlängelte sich der Bach zwischen Wiesen und Weidenbaum durch das heutige Hafengebiet zum Rhein. Zurzeit der Römer bildete der Verlauf sogar die Grenze zwischen dem Xantener und Kölner Gebiet der Römer.