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Römisches Privatheiligtum in Krefeld-Gellep entdeckt
Veröffentlicht am: 12.01.2021
„Die Auswertung wird Jahre dauern", prognostizierte Stadtarchäologe Dr. Hans-Peter Schletter mit einem freudigen Unterton vor knapp drei Jahren. Damals endete in Krefeld-Gellep die größte Ausgrabung in der Stadtgeschichte. Auf einem rund 3,7 Hektar großen Areal sicherten die Archäologen Funde aus der Zeit 800 vor Christus bis 500 nach Christus. In zehn Monaten wurden 3.300 Befunde dokumentiert und circa 90.000 Funde geborgen.
Hans-Peter Schletter vor geborgenen Helmen.
Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation
Nach der Grabung begann der zweite spannende Teil: Die Restaurierung der Objekte, die wissenschaftliche Einordnung der Funde und die sich daraus ergebenden Erkenntnisse. Schletter und Doktorand Eric Sponville stellten nun neueste Forschungsergebnisse vor - mit einer kleinen Sensation.
Bemalter Wandputz.
Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation
Während der Grabungskampagne entdeckten die Archäologen einen zwei mal zweieinhalb Meter großen Estrichboden mit Mauerresten. „Wir vermuteten zuerst, dass es sich um einen Keller handelt", so Sponville. Zudem kam bemalter Putz zum Vorschein. Bei der nun erfolgten Auswertung im Archäologischen Museum Krefeld verwarf Sponville die Annahme, es könne sich um einen Keller handeln. „Es war nur zehn bis 30 Zentimeter unter Laufniveau", berichtet der Doktorand. Der weiße mit roten Streifen bemalte Putz stellte sich als einer von hoher Qualität heraus. „Es ist außerdem die einzige Stelle, an der wir solchen Putz gefunden haben", sagt Sponville. Und dass dieses kleine Gebäude ein Sockelmauerwerk mit aufgesetztem Fachwerk erhielt, lässt ebenso auf eine besondere Bedeutung schließen. Bei seiner Recherche in entsprechenden Fachpublikationen stieß Sponville auf kleine, private Heiligtümer, wie sie in der Schweiz, Großbritannien und Österreich entdeckt wurden. „Am Niederrhein kennen wir solche Privatheiligtümer nicht - bis jetzt", betont Schletter. In der Region sei dies ein einzigartiger Fund.
Doktorand Eric Sponville mit der Isis-Darstellung.
Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation
Sponville wertet seit 2018 die Funde aus dem nördlichen Vicus für seine vom Förderverein des Museums maßgeblich unterstützte Doktorarbeit aus, einer römischen Zivilsiedlung, die an ein römisches Militärlager angeschlossen war. Dort ließen sich Händler, Handwerker, Gastwirte, Veteranen und die Frauen der Soldaten nieder. In Krefeld-Gellep sind zwei dieser „vici" bekannt, in denen zusammen rund 750 Zivilisten lebten: Einer südlich des Lagers, der durch die Baggerarbeiten für das Hafenwendebecken in den 1970er-Jahren größtenteils zerstört ist, und einer im Norden des Militärlagers. Dort haben die Archäologen unter anderem Straßenverläufe gefunden sowie Fundamente von Wohn- und Lagerhäusern. Sponville konnte damit erstmals Pläne der Siedlung in verschiedenen Jahrhunderten rekonstruieren. Das Heiligtum datiert er in die Siedlungsschicht der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts. Das kleine Gebäude grenzte an die Grundstücke von einigen Streifenhäusern, so dass sich mehrere Familien das Heiligtum teilten. „Es handelt sich neben dem Mithraskult und der Isis-Verehrung um den dritten nachgewiesenen Kult beziehungsweise Religion in der römischen Siedlung in Gellep", so Schletter. Wer oder was konkret dort verehrt wurde, wird wohl ungeklärt bleiben.
Ein bei der Grabung gefundener Helm.
Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation
Die Forschungsergebnisse über drei gefundene römische Helme wird Schletter in einem Fachaufsatz einer englischsprachigen Publikation (Journal of Roman Military Equipment Studies) in diesem Jahr veröffentlichen. Die Funde stehen im direkten Zusammenhang mit der Bataverschlacht 69 nach Christus zwischen den germanischen Batavern und den Römern in Krefeld-Gellep. Die Fundsituation spricht bei zwei Helmen für eine kultische Deponierung, die nach dem Abbau von zwei Tropaea, zwei Sieges-Denkmälern, erfolgte. Der Nachweis solcher Siegesdenkmäler bestehend aus Helmen, Waffen und Schilden ist bislang einzigartig in Deutschland.
Teile eines geborgenen Pferdes.
Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation
Obwohl zeitgleich einige Tausend römische Soldaten in Niedergermanien, dazu gehörte auch Gellep, stationiert waren, wurden in diesem Gebiet nur 20 Helme gefunden. Auf einer Karte hat Schletter diese und weitere in Europa entdeckten Helme zusammengetragen. Demnach konzentriert sich die sogenannte Variante Main-Krefeld-Gellep im Rheindeltagebiet in den heutigen Niederlanden, dem Stammland der Bataver. Diese dienten als „Spezialeinheit" in der Armee und als Leibwache den römischen Caesaren, zuletzt im Jahr 68 für Kaiser Nero. Bis zu 5.000 Männer eines rund 45.000 Menschen umfassenden Volkes standen so im Dienst der Römer. Aufgrund der Helmfunde an Niederrhein und Waal stellt Schletter nun die These auf, dass die Krefelder Helme von Batavern stammen. „Es ist das erste Mal, dass man Rüstungsteile bestimmten Einheiten zuordnen kann. Ein schönes Etappenziel in der Erforschung der römischen Militaria", sagt Schletter.
Kooperationen ermöglichen Auswertung
Nach dem Ende der Sonderausstellung „Abenteuer Großgrabung" wird die ständige Ausstellung im Archäologischen Museum Krefeld derzeit mit bisherigen Funden aus dem Vicus ergänzt. „Im Museum können wir nur ausstellen und vermitteln, was erforscht ist", sagt Museumsleiterin Dr. Jennifer Morscheiser. Die Auswertung könne mit den Geldern für die eigentliche Grabung nicht finanziert werden. Deswegen seien die Doktorarbeit von Eric Sponville und andere wissenschaftliche Arbeiten von Studenten an den Universitäten in Köln und Basel für das Museum sehr wichtig. „Das ist eine tolle Kooperation, und es sind schon weitere Abschlussarbeiten in Vorbereitung", freut sich Morscheiser.
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