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Funde erzählen vom Leben der Römer am Niedergermanischen Limes

Veröffentlicht am: 25.11.2021

„Die Auswertung wird Jahre dauern", prognostizierte Stadtarchäologe Dr. Hans-Peter Schletter mit einem freudigen Unterton vor gut drei Jahren. Damals endete in Krefeld-Gellep die größte Ausgrabung in der Stadtgeschichte. Auf einem rund 3,7 Hektar großen Areal sicherten die Archäologen Funde aus der Zeit 800 vor Christus bis 500 nach Christus. In zehn Monaten wurden 3.400 Befunde dokumentiert und circa 90.000 Funde geborgen. Nach der Grabung begann der zweite spannende Teil: Die Restaurierung der Objekte, die wissenschaftliche Einordnung der Funde und die sich daraus ergebenden Erkenntnisse. Schletter und Doktorand Eric Sponville stellten nun neueste Forschungsergebnisse vor.

Eric Sponville (links) und Dr. Hans Peter Schletter mit einer Töpferscheibe aus der Römerzeit, die in Krefeld ausgegraben wurde. Fotos: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, A. BischofEric Sponville (links) und Dr. Hans Peter Schletter mit einer Töpferscheibe aus der Römerzeit, die in Krefeld ausgegraben wurde. Fotos: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, A. Bischof

Manchmal sind es kleine, erst unscheinbare Funde, die dann eine Geschichte über die ehemaligen Bewohner der römischen Zivilsiedlung in Gelduba, dem heutigen Krefeld-Gellep, erzählen. Sponville wertet seit 2018 solche Funde aus dem nördlichen Vicus für seine vom Förderverein des Museums maßgeblich unterstützte Doktorarbeit aus. Nun präsentierte er eine von ihm untersuchte handgroße, verrostete Metallplatte. Diese wurde in einer Grube im Bereich einer „Fabrica" gefunden, einem Streifenhaus mit Werkstattbereich in der vorderen Gebäudehälfte. Derartige Häuser sind typisch für Siedlungen in direkter Nachbarschaft von Kastellen entlang des Niedergermanischen Limes, der Rheingrenze zwischen den Römern und den rechtsrheinischen Germanen.

In der „Fabrica" von Gelduba wurde Metall recycelt und zu neuen Produkten verarbeitet. „Die unregelmäßige Materialstärke und der nicht ausgebogene Nackenschirm deuten auf ein Halbfabrikat hin", erklärt Sponville. Aus diesem Rohprodukt wäre ein eiserner Reiterhelm vom Typ Weiler mit getriebener Haarfrisur geworden. „Das ist eine sehr hochwertige Arbeit eines Spezialisten und zeigt, dass die Soldaten im angrenzenden Kastell auch vor Ort mit militärischer Ausrüstung ausgestattet wurden. Das ist für uns eine neue Erkenntnis", so der Doktorand. Auch die abgeschnittene Schwertspitze, wohl für einen kleineren Soldaten dort so umgearbeitet, sowie Fragmente eines Schutzpanzers unterstützen diese Interpretation.

Die Produktion von rot- und grauwandiger Gebrauchskeramik, darunter Töpfe, Deckel, Teller und Krüge, konnte Sponville bereits durch den Fund von Töpferöfen belegen. Auch konkrete Arbeitsplätze eines Töpfers sind bei der Grabung nachgewiesen worden. „Wir haben zwei Töpferscheibenstände mit typischem Pfostenloch der Töpferscheibe und umliegenden Resten von Lehm gefunden", sagt der Doktorand. Zudem entdeckten die Archäologen die Schwungscheibe einer Töpferscheibe aus einem recycelten Mühlstein. Der Töpfer brachte die Scheibe mit einem Stock in Schwung, in dem er diesen rotierend in Löcher des Steins ansetzte und drückte. „Weitere Bruchstücke von großformatigen Mühlsteinen aus der Verfüllung der Arbeitsgrube sind ebenfalls den Töpferscheiben der Werkstatt zuzusprechen", so Sponville.

Das Halbfabrikat eines Helmes, der in einer Werkstatt im römischen Gelduba (Krefeld-Gellep) gefunden wurde. Fotos: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, A. BischofDas Halbfabrikat eines Helmes, der in einer Werkstatt im römischen Gelduba (Krefeld-Gellep) gefunden wurde. Fotos: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, A. Bischof

„Solche Funde erzählen uns einiges über die Menschen, die damals in der Siedlung gelebt haben. Wir können uns so Stück für Stück ein Bild von ihrer Lebens- und Arbeitswelt machen", so Schletter. In der Siedlung ließen sich Händler, Handwerker, Gastwirte, Veteranen und die Frauen der Soldaten nieder. In Krefeld-Gellep sind zwei dieser „vici" bekannt, in denen zusammen rund 750 Zivilisten lebten: Einer südlich des Lagers, der durch die Baggerarbeiten für das Hafenwendebecken in den 1970er-Jahren größtenteils zerstört ist, und einer im Norden des Militärlagers. Die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse und bearbeitete Funde über die nördliche Siedlung sind ab sofort in einem eigenen Raum in der Dauerausstellung des Archäologischen Museums Krefeld zu sehen.

Dort sind auch Objekte aus dem römischen Kastell Gelduba ausgestellt, das seit kurzem als Teil des „Niedergermanischen Limes" als Welterbestätte anerkannt ist. Der Niedergermanische Limes-Abschnitt bestand von 15 vor Christus bis etwa 450 nach Christus. Unter den in Nordrhein-Westfalen einzutragenden Römerstätten nimmt das Lager von Krefeld-Gellep eine Schlüsselposition ein. Es bestand vom ersten bis fünften Jahrhundert nach Christus fast ununterbrochen an derselben Stelle. Der „Niedergermanische Limes" ist Teil des Welterbe-Projektes „Die Grenzen des Römischen Reiches" und umfasst die Grenzlinie und Militäreinrichtungen zur Zeit der Blüte des Römischen Reiches, etwa in der Zeit von 100 bis 200 nach Christus. Abschnitte in Deutschland, Österreich, Slowakei und Großbritannien gehören dazu.