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Die besondere Yacht der Royal Navy Rhine Flotilla

Veröffentlicht am: 05.08.2022

Die Yacht Prince Charles zwischen anderen Booten der britischen Rheinflotte im Krefelder Hafen. Im Hintergrund ist die Uerdinger Rheinbrücke zu sehen. Bild: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation
Die Yacht Prince Charles zwischen anderen Booten der britischen Rheinflotte im Krefelder Hafen. Im Hintergrund ist die Uerdinger Rheinbrücke zu sehen.
Bild: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation

Prinz Charles schält Kartoffeln mit Koch aus Krefeld-Bockum

US-amerikanische Truppen erobern Krefeld Anfang März 1945, aber bereits im Juli des folgenden Jahres übernehmen britische Einheiten das Kommando in der Stadt. Im Verhältnis zu den Deutschen und im direkten Umgang mit ihnen soll der „Leitfaden für britische Soldaten in Deutschland 1944" mehr als nur eine Orientierung sein. „Die Deutschen auf Distanz halten, selbst diejenigen, mit denen man offiziell zu tun hat", lautet in dem Büchlein eine Regel. Verteilt über das gesamte Stadtgebiet, sind die Briten in größeren und kleineren Kasernen stationiert beziehungsweise wohnen in den Nachkriegsjahren in eigenen, neuen Siedlungen mit ihren Familien. „Kein Zutritt für Unbefugte" steht auf mehreren schwarzen Verbotsschildern. Sie befinden sich unübersehbar an den Bürgersteigen der Kempener Allee und der De-Greiff-Straße. Mit den „Unbefugten" ist die deutsche Bevölkerung gemeint. Eine solche No-Go-Area bildet auch ein Teil des Krefelder Hafens. Anfang der 1950er-Jahre erweckt jedoch ein spezielles Boot das öffentliche Interesse.

Hafen als Stützpunkt der Royal Navy Rhine Flotilla

Die besondere Lage Krefelds am Rhein wollen die britischen Besatzer in der unmittelbaren Nachkriegszeit so schnell wie möglich für ihre Zwecke nutzen. Der Hafen dient so unter anderem als Stützpunkt der Royal Navy Rhine Flotilla, die einen Flussabschnitt kontrolliert. Unter den Schiffen fällt eines auf: Die Yacht von Hermann Göring, der sich zum Ende des Kriegsverbrecherprozesses in Nürnberg 1946 selbst tötet. Die „Carin II" ankert in unmittelbarer Nähe der Uerdinger Rheinbrücke. Das bleibt kein Geheimnis. Ihre Stationierung steht sogar in der Zeitung. Mehr aber auch nicht. „Man sieht nicht mehr als die Toppen", heißt es da. Denn das Hafengebiet ist britisches Hoheitsgebiet und sechs Jahre nach dem Ende des Zweiten Weitkrieg für Deutsche „Off Limits". Nur wer über eine Sondergenehmigung verfügt oder dort arbeitet, darf das Areal betreten, dazu zählen auch deutsche Mitglieder der Stammbesatzung. „Wenn man vom ‚deutschen' Ufer hinüber in den Pulk der ankernden Schiffe schaut, dann sollte man nicht vermuten, dass zwischen dem halbkriegerischen Haufen ein solch legendenumwobenes Schiff liegt, komfortabel und gar nicht für Soldanten geeignet", so der unbekannte Autor des Zeitungsberichtes. Dessen Schilderung fällt dann auch eher „blumig" aus, da er nur die Situation vor Ort allgemein beschreibt. Lediglich bei der Darstellung der Inneneinrichtung fällt auf, dass der Journalist seine Übersicht seltsamerweise mit der Kombüse beginnt - das könnte ein Hinweis auf seine Quelle sein.

Feldmarschall Montgomery 1957 zu Besuch bei der britischen Rheinflotte im Krefelder Hafen.  Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation
Feldmarschall Montgomery 1957 zu Besuch bei der britischen Rheinflotte im Krefelder Hafen.
Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation

Prinz Charles schält Kartoffeln

Was sich tatsächlich an und unter Bord abspielt, berichten Jahre später Leute wie der Schiffskoch und Steward Heinz Brockhaus. Und was muss das für ein Bild gewesen sein, als der ganz junge Prinz Charles in der Kombüse mit ihm gemeinsam Kartoffel schält. Auch der frisch gebackene Kuchen des „Smutje" aus Krefeld-Bockum begeistert den kleinen Thronfolger. Brockhaus gehört quasi zum Inventar der Yacht, die inzwischen „Prince Charles" heißt und ab 1950 als Teil der Royal-Navy-Rheinflottille im Krefelder Hafen beheimatet war. Mit der Verlegung an den Rhein nutzt die britische Königsfamilie das Boot, nicht nur für Reisen, sondern auch für Empfänge und Feiern. Hier kommt dem Schiffskoch Heinz Brockhaus die besondere Rolle zu, mit kleinem Budget in der Kombüse große Festmähler zu kreieren. Während des Zweiten Weltkriegs kochte er schon für Hitler, Göring, Mussolini, Ribbentrop und hohe Militärs. Der gelernte Koch und Konditor wurde 1918 in Krefeld geboren. Er kommt 1951 aus Breitenfelde in Schleswig-Holstein zurück in seine Heimatstadt, wo er Anfang der 1950er-Jahre an der Buschstraße wohnt. - Bei den Partys auf der „Prince Charles" muss es an Bord stets feuchtfröhlich zugegangen sein. Auf dem Schiff seien Tausende Flaschen Sekt und Gin geleert, die allesamt im Rhein versenkt worden, erinnert sich Brockhaus in den 1970er-Jahren.

Wie die „Carin II" in Norddeutschland - wohl in Kiel - im Mai 1945 genau in britischen Besitz der britischen Armee gelangt, ist nicht bekannt. In der direkten Nachkriegszeit nutzen Offiziere die Yacht für Touren, unter anderem lässt sich Feldmarschall Bernard Montgomery auf der „Carin II" durch den Kieler Hafen schippern. Die Briten annektieren das Schiff Ende 1945, Anfang 1946 und benennen es zunächst in „H.M.S. Royal Albert" um. Im Jahr 1950 wechselt die Yacht vom Salz- ins Süßwasser, nach Krefeld am Rhein und wird in „M.Y. Prince Charles" umgetauft.Sie dient fortan einer noblen Aufgabe: als Repräsentationsschiff der Royal Navy Rhine Flotilla und der britischen Königsfamilie.

Hier war die "Prince Charles" unterwegs

Die „Prince Charles" befährt so die europäischen Flüsse sowie die Nordsee. An Bord befindet sich immer mal wieder Prinz Philip, der Ehemann von Königin Elisabeth II., die Schwester der Queen, Prinzessin Margaret, die Herzogin von Kent und adlige Familienmitglieder der Mountbatten sowie andere gekrönte Staatsoberhäupter, Politiker, Wirtschaftsgrößen und mehr - lediglich Queen Elizabeth II. selbst soll nie an Bord gewesen sein. Angeblich dient die Yacht auch dazu, die deutschen Verwandten des britischen Königshauses ohne großes Aufsehen zu besuchen; die Mountbatten stammen aus dem Haus Battenberg (Hessen), die Windsor aus dem Haus Sachsen-Coburg und Gotha. Neben den gesellschaftlichen, offiziellen Anlässen wird das Schiff auch bei Manövern und Übungen eingesetzt.

Lord Louis Mountbatten, der erste Seelord der britischen Admiralität bei der Inspektion der Rheinflotte 1956 im Krefelder Hafen. Mountbatten ist der Onkel von Prinz Philip, der mit Queen Elisabeth II. verheiratet war.  Bild: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation
Lord Louis Mountbatten, der erste Seelord der britischen Admiralität bei der Inspektion der Rheinflotte 1956
im Krefelder Hafen. Mountbatten ist der Onkel von Prinz Philip, der mit Queen Elisabeth II. verheiratet war.
Bild: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation

Lord Louis Mountbatten und Feldmarschall Montgomery

Von der Repräsentationsfunktion findet sich im Zeitungsarchiv des Stadtarchives Krefeld so gut wie nichts - das britische Hafenareal bleibt von den Blicken der Öffentlichkeit abgeschirmt. Ob und wer aus dem Königshaus in Krefeld an oder von Bord geht, darüber wird nicht berichtet. Lediglich von einigen Truppenbesuchen wie dem ersten Lord der britischen Admiralität, Lord Louis Mountbatten, nebst Gattin und von Feldmarschall Montgomery im Krefelder Hafen berichten die hiesigen Zeitungen. Auch ein Besuch von Prinzessin Margaret 1954 in Krefeld ist sicher belegt sowie von Prinz Philip als H.R.H. Duke of Edinburgh.

Die Touren der „Prince Charles" enden 1960 und damit auch das Interesse der Briten an deren Besitz. Die Schiffe der Rheinflottille, die im Krefelder Hafen liegen, übernimmt die Bundesmarine und überführt sie nach Wilhelmshaven. Auf das Gelände ziehen bald die Flusspioniere der Bundeswehr, „Fluppis" genannt, ein. Die Witwe Göring kann in dieser Zeit erfolgreich die Rückgabe der Yacht durchsetzen, weil das Schiff privates Eigentum gewesen sei. Sie verkauft es im Herbst 1960 an einen Bonner Unternehmer. Anfang der 1970er-Jahre erwirbt ein Hamburger Journalist die einstige „Carin II". Im Spielfilm „Schtonk!" (1992) wird seine (fiktive) Geschichte um den Erwerb der Göring-Yacht und über die Fälschung der Hitler-Tagebücher erzählt. Nachdem der Betrug entlarvt wird, flüchtet der Journalist Hermann Willié (Götz George) im Film mit seiner geliebten „Carin II" aus dem Hamburger Hafen. Im realen Leben lag die Yacht zuletzt (2018) wohl in Ägypten - Eigentümer unbekannt. Das einstige Areal der Royal Navy Rhine Flotilla beziehungsweise der Flusspioniere ist heute eine Brachfläche. Die militärische Nutzung endete 1986. Alle Gebäude wurden abgerissen. Gleich hinter der Drehbrücke steht lediglich noch das einstige Wachhäuschen der „Fluppis".