Inhaltsbereich

Das Leben von Werner Heymann in Bildern von Krefelder Schülern

Veröffentlicht am: 14.09.2022

Zeichnungen der Schüler des Berufskollegs Glockenspitz. Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, Dirk Jochmann
Zeichnungen der Schüler des Berufskollegs Glockenspitz. Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, Dirk Jochmann

Gestalter-Klasse des Berufskollegs Glockenspitz zeigt Arbeiten in Ausstellung

In der NS-Dokumentationsstelle der Stadt Krefeld wird ab sofort die Ausstellung „Mein himmelblaues Akkordeon" gezeigt. Schüler des Berufskollegs Glockenspitz aus der Abteilung Gestaltung haben sich in den vergangenen Monaten mit der Biographie von Werner Heymann beschäftigt. Der Krefelder überlebte unter anderem das Konzentrationslager Auschwitz. Nachdem ein Buch und ein Hörbuch vor einigen Jahren veröffentlicht worden sind, folgt nun seine Lebensgeschichte in den von Schülern gestalteten Bildern und Texten, die bis November in der Villa Merländer an der Friederich-Ebert-Straße zu sehen sind. „Das ist eine sehr würdevolle Umsetzung", betonte Sandra Franz, Leiterin der NS-Dokumentationsstelle. In den kommenden Wochen sind dort zudem Führungen mit Schülern und ein Veranstaltungsabend mit Lesung am 10. November geplant.

„Wir waren alle sehr beeindruckt, wie sehr ihm die Musik geholfen hat"

Werner Heymann, Jahrgang 1923, war der Sohn einer Metzgerfamilie. Sein jüdischer Vater führte den Familienbetrieb, seine katholische Mutter arbeitete im Geschäft mit und versorgte die Familie. Mit seinen Freunden spielte er auf der Burgstraße (heute Angerhausenstraße) mitten in der Innenstadt. Schon früh zeigte sich sein musikalisches Talent. Mit seinem ersten kleinen Akkordeon spielte er Schlager in den Gassen um die elterliche Metzgerei zur Freude der Nachbarn und Passanten - dieses Talent sollte ihm später das Leben retten. „Wir waren alle sehr beeindruckt, wie sehr ihm die Musik geholfen hat", sagt Klassensprecherin Vivien Willems.

Die Idee zu dem Schülerprojekt ging von Bernd Mildebrath aus. Er engagiert sich im Vorstand des Villa Merländer-Vereins und lernte Werner Heymann Anfang der 1980er-Jahre kennen. „Meine Mutter und er waren nach dem Krieg befreundet", erzählt Mildebrath. Nach Heymanns Auswanderung Ende der 1960er-Jahre blieb der Kontakt erhalten. Bei einem Besuch überreichte er Mildebrath einen Stapel Papier, die Erinnerungen: „Mach' was daraus". Nach den beiden Publikationen ist es nun das dritte Projekt, für das das Berufskolleg Glockenspitz gewonnen werden konnte. Über den Religionsunterricht und das Thema der Judenverfolgungen lernten die Berufsschüler die Lebensgeschichte von Werner Heymann kennen. Auszugsweise wurden Passagen aus der Biographie vorgelesen. „Als Gestalter-Klasse sollte wir dazu zeichnen", berichtet Alan Schobel-Gundhardt. Aus diesem Ansatz entwickelte sich das Projekt weiter und weiter. „Mir ist als besonderer Aspekt die Ernsthaftigkeit der Schüler aufgefallen, mit der sie das Thema aufgegriffen haben", so Mildebrath.

Die Gestalter-Klasse des Berufskollegs Glockenspitz haben eine Ausstellung in der NS-Dokumentationsstelle gestaltet. Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, Dirk Jochmann
Die Gestalter-Klasse des Berufskollegs Glockenspitz haben eine Ausstellung in der NS-Dokumentationsstelle gestaltet. Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, Dirk Jochmann

Schüler bearbeiteten Kapielweise Werner Heymann Lebensstationen

Mit den Nürnberger Rassegesetzen 1935 veränderte sich alles für die Familie Heymann. Werner wurde durch das NS-Gesetz zu einem „Mischling", und seine behütete Kindheit und Jugend endeten. Ohne „Judenstern" und ohne Erlaubnis fuhr Heymann einmal mit der Bahn in Richtung Kleve. Im Zug griff die Gestapo, die Geheime Staatspolizei, den jungen Mann auf und verhaftete ihn. Für Werner Heymann und seine Mutter bedeutete das letztlich die Deportation zuerst in das Konzentrationslager Theresienstadt und später nach Auschwitz. Seine Mutter wurde dort getötet. Als gelernter Schlosser kam Werner Heymann vom KZ Auschwitz jedoch bald in ein Nebenlager bei Gleiwitz. Weil er Akkordeon spielen konnte, musste er aber nicht in den Arbeitsdienst, sondern spielte für die Wachmannschaften und half in der Küche.

Die Lebensstationen haben Schüler kapitelweise bearbeitet, die fröhlichen Momente genauso wie die NS-Verbrechen an der Familie Heymann. So fasst Emily Sophie Patzke drei wichtige Aspekte auf ihrem Plakat zusammen: einen Bombenangriff auf Krefeld, eine Verlobung in der Familie und die Vorladung der Geheimen Staatspolizei. „Der Nebel bei den Bildern verdeutlicht, dass es sich um Erinnerungen handelt", erläutert die Schülerin. Eine eindrucksvolle Schwarz-Weiß-Zeichnung gestaltete Jadawadi Satja. Sie zeigt einen Kopf als Gefängniszelle, in der Werner Heymann hoffnungslos hockt.

Als die Front mit der sowjetischen Armee immer näher rückte, wurden die Häftlinge auf sogenannten Todesmärschen in den Westen gebracht. Dabei nutzten Heymann und einige seiner Freunde die Möglichkeit zur Flucht. Auf abenteuerliche Weise überlebten sie, und Heymann kehrte nach Krefeld zurück. Von seiner Heimatstadt machte er sich später auf, um nach Chile zu seinem Onkel auszuwandern. Er lebte in dem südamerikanischen Staat vom Obst- und Gemüseanbau, behielt aber stets Heimweh nach seiner Heimatstadt Krefeld. Er verstarb 2008.

Heymanns Manuskript seiner Lebensgeschichte Grundlage für das Buch vom „Mein himmelblauen Akkordeon"

Das ursprünglich maschinengeschriebene Manuskript seiner Lebensgeschichte war Grundlage für das Buch vom „Mein himmelblauen Akkordeon", welches 2008 vom Förderverein Villa Merländer in Zusammenarbeit mit der NS-Dokumentationsstelle der Stadt Krefeld herausgegeben wurde. Im Jahr 2020 erschien der gedruckte Text als Hörbuch, eingelesen von 21 Krefeldern, die jeweils ein Kapitel der bewegenden Geschichte des Werner Heymann vortragen. In der NS-Dokumentationsstelle der Stadt Krefeld sind beide Publikationen noch erhältlich. Die Ausstellung ist bis zum 20. November zu sehen, immer mittwochs von 9 bis 14 Uhr, jeden Sonntag von 14 bis 17 Uhr und nach Vereinbarung. Weitere Informationen stehen unter www.villamerlaender.de.